28.09.2010
Von Barbara Schäder
"Wir befinden uns inmitten eines internationalen Währungskriegs"
, sagte Brasiliens Finanzminister Mantega am Montag. Die Industriestaaten wollten mit einer Abwertung ihrer Währungen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten ärmerer Länder stärken…
Was veranlasst Brasilien zu seiner Kriegsrhetorik?
Seit Anfang 2009 ist der Wert der Landeswährung Real im Vergleich zum Dollar nach Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg um 35 Prozent gestiegen. Dadurch werden brasilianische Produkte im Ausland teurer, das ist schlecht für die Exportwirtschaft. Ein wichtiger Grund für den Höhenflug des Real sind die hohen ausländischen Direktinvestitionen in dem aufstrebenden Schwellenland… Die Aufwertung ist auch auf Währungsspekulationen, sogenannte Carry Trades, zurückzuführen. Angesichts eines Leitzinsniveaus von 10,75 Prozent ist es für Anleger attraktiv, in den USA oder im Euroraum billig geliehenes Geld kurzfristig in Brasilien anzulegen und anschließend mit Gewinn zurückzutauschen. Die brasilianische Zentralbank steuert dagegen, indem sie Greenbacks aufkauft - seit Anfang September rund 5,9 Mrd. Dollar. Die Devisenreserve der Banco Central do Brasil ist auf ein Rekordniveau von 274 Mrd. Dollar angeschwollen… Künftig soll nach dem Willen der Regierung auch der brasilianische Staatsfonds, der ein Vermögen von 17,9 Mrd. Reais (10,5 Mrd. Dollar) verwaltet, in die US-Währung investieren.
Wie gehen andere Schwellenländer mit dem Problem um?
Kolumbien kauft seit Mitte September ebenfalls Dollar auf, um den Aufstieg des Peso zu stoppen. Die kolumbianische Währung wertet seit Jahresbeginn um mehr als zwölf Prozent auf. Die Zentralbank hat den Erwerb von mindestens 20 Mrd. Dollar angekündigt. Analysten halten dies allerdings für unzureichend.
Thailand hat am 23. September die Kontrolle von Kapitalabflüssen gelockert, um den Aufwertungsdruck auf seine Landeswährung Baht zu lindern.
Wie schlägt sich Japan im Kampf gegen den starken Yen?
Die jüngste Intervention der japanischen Notenbank war von begrenzter Wirkung. Am Dienstag kostete ein Dollar 84,23 Yen, vor dem Eingriff am 15. September waren es 82,88 Yen - die japanische Währung war damals so stark wie seit 1995 nicht mehr… Um sich gegen einen Dollar-Verfall zu wappnen, kauft die Volksrepublik China verstärkt japanische Staatspapiere. In diesem Jahr erwarb Peking mindestens 27 Mrd. Dollar an Yen-Papieren, das ist mehr als sechsmal so viel wie in den fünf Jahren zuvor.
Welche Waffen haben die USA gegen China in der Hand?
Das US-Repräsentantenhaus stimmt voraussichtlich am Mittwoch über eine Gesetzesvorlage ab, nach der Wechselkursmanipulationen mit Handelssanktionen bestraft werden können… Mit der Forderung nach Handelssanktionen wollen die Befürworter des Gesetzes China dafür bestrafen, dass Peking eine kräftige Aufwertung des Renminbi gegenüber dem Dollar bislang verhindert hat. Von dem niedrigen Wechselkurs profitieren die chinesische Exportfirmen, die nach Ansicht der US-Kritiker die Vereinigten Staaten mit ihren Produkten überschwemmen und dadurch der heimischen Wirtschaft das Wasser abgraben.“
"Bretton-Woods II" nimmt konkrete Gestalt an. - Globalisierung ... 24. März 2009
Handelskrieg USA-China verschärft sich
30.09.2010
Kurier
„Mit einer Resolution des US-Repräsentantenhauses setzt Washington den ersten Schritt zum offenen Handelskrieg mit China. Was Präsident Obama noch vor wenigen Tagen vor der UNO angedroht hatte, wurde Mittwochnacht zum konkreten Gesetzesentwurf, verabschiedet mit überwältigender Mehrheit beider Parteien: Amerika will China mit Wirtschaftssanktionen, von Strafzöllen bis Einfuhrverboten, belegen, falls die Regierung in Peking nicht die künstliche Abwertung der chinesischen Währung beendet…Laut Entwurf, dem der US-Senat aber zustimmen muss, kann künftig jede Firma, die sich durch währungsgestützte Billigimporte bedroht fühlt, für ihren Bereich um Strafzölle ansuchen… Vor allem Maschinen, Generatoren, Bekleidung, Spielwaren und Möbel werden aus dem Reich der Mitte eingeführt…
Der jetzige Beschluss ist ein neuer Höhepunkt im jahrelangen Handelsstreit mit China. Schon jetzt heben die Amerikaner Strafzölle von 15 Prozent unter anderen auf billige Reifen und Stahlrohre made in China ein. Insgesamt sind drei Prozent aller chinesischen Exporte in die USA betroffen. Umgekehrt hebt China Strafzölle gegen Chemie-Importe und Geflügelteilen aus den Vereinigten Staaten von bis zu 35 Prozent ein.
Auch die EU liegt im Handelsstreit mit China. So schlägt sie auf Billigschuhe 15 Prozent drauf, ein Verfahren der Welthandelsorganisation (WTO) ist anhängig. Einen regelrechten Krieg gibt es bei Schrauben mit Strafzöllen von bis zu 85 Prozent (seitens der EU) bzw. bis zu 26 Prozent seitens China. Ähnlich hoch ist die Abgabe für Stahlprodukte aus Europa…“
Handelsstreit mit China spitzt sich zu FAZ
30. September 2010
Im Währungsstreit mit China hat das amerikanische Repräsentantenhaus den Weg für Strafmaßnahmen gegen Peking freigemacht. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch in Washington mit überwältigender Mehrheit für einen Gesetzentwurf, der das Handelsministerium bevollmächtigt, Strafzölle wegen Währungsmanipulationen zu verhängen… China hat nun scharf gegen das Votum des Repräsentantenhauses protestiert und vor Schaden für den Handel gewarnt. Der Streit über den richtigen Wert der chinesischen Währung werde „als Vorwand für Protektionismus“ genommen, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, am Donnerstag in Peking…
Ökonomen sind sich derweil uneins, ob eine Aufwertung der chinesischen Währung tatsächlich so viel bringt wie in der politischen Debatte behauptet. Außerdem fürchten nicht wenige, eine Sanktions-Breitseite aus Washington könnte im delikaten Verhältnis mit Peking mehr Schaden anrichten als nutzen - und für die ehrgeizigen Exportpläne von Präsident Obama, der die Ausfuhren binnen fünf Jahren verdoppeln will, eher zum Bumerang werden, wenn das Reich der Mitte zum handelspolitischen Gegenschlag ausholen sollte…
„Auf Peking einzuprügeln hilft unserem Handelsdefizit nicht“, urteilt Robert Pozen vom Brookings-Institut in der amerikanischen Hauptstadt. Der Wert des Yuan sei nicht die Hauptursache der Lücke.
„Die Einkommen und das soziale Sicherungsnetz in China sind wichtiger. Die Arbeitskosten machen den bedeutendsten Anteil der Kosten der Güter aus, die China in die USA exportiert.“ Zudem zeigten Daten, dass der Wert des Yuan statistisch mit dem Umfang des Handelsdefizits mit dem Reich der Mitte eher wenig zu tun habe. Pozen, der auf eine lange Finanzkarriere zurückblickt, rät vielmehr: „US-Politiker sollten nicht allzu heftig auf eine Aufwertung des Yuan drängen - das hat sich wegen des chinesischen Widerstands als kontraproduktiv erwiesen.“ Vielmehr sollten sie höhere Löhne für chinesische Arbeiter unterstützen…“
Aggressive Geldpolitik: Sieg per Dollar-Druckmaschine
Financial Times Deutschland
von Martin Wolf 14.10.2010
Die Amerikaner zwingen der Welt eine Inflation auf
- die muss nun überlegen, wie sie darauf reagiert.
„Der Währungsstreit offenbart eine gewaltige Herausforderung: Wie handhabt man die Anpassung der Weltwirtschaft am besten? IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard empfiehlt dafür zwei grundlegende und schwierige Korrekturen der Wirtschaft. Zum einen intern: Industriestaaten müssen die Nachfrage der Privathaushalte konsolidieren und die in der Krise angewachsenen Haushaltsdefizite verringern. Zum anderen extern - mehr Nettoexporte der USA und einiger anderer Industrienationen sowie mehr Inlandsnachfrage in Schwellenländern wie China.
Eine wichtige Rolle spielt bei beiden Prozessen eine aggressive Geldpolitik der Industrienationen, speziell der USA. Grob gesagt: Die Amerikaner wollen dem Rest der Welt eine Inflation verpassen, während die Welt den Amerikanern eine Deflation aufzwingen will… Die Fed kann so viele Dollars drucken, wie sie möchte. Ausgehandelt werden müssen nur noch die Bedingungen, zu denen der Rest der Welt kapituliert, also die notwendigen Veränderungen der nominalen Wechselkurse und die innenpolitischen Reformen, die weltweit stattfinden müssen…
Im schlimmsten Fall könnte die Volkswirtschaft der Schuldendeflation erliegen: Die geplatzte Immobilienblase drückt den Häuserwert, die Kredit- werte, die Kaufkraft und die Geldmenge sinken. Renditen und Inflation in den USA folgen bereits dem Muster, das in Japan im vorletzten Jahrzehnt auftrat. Die Fed will diesen Trend stoppen. Deshalb steht eine weitere Runde quantitativer Lockerung bevor. Wie sich das auf den Rest der Welt auswirkt, spielt keine Rolle…
Die globalen Folgen liegen auf der Hand: Durch diese Politik steigen die Preise für langfristige Vermögenswerte, und Kapital wird zunehmend in Länder mit einer weniger expansiven Geldpolitik (wie der Schweiz) oder höheren Renditen (wie Schwellenmärkten) fließen. Das Institute of International Finance (IIF) geht davon aus, dass sich der Nettozufluss von Kapital aus dem Ausland in Schwellenmärkte 2010 und 2011 auf mehr als 800 Mrd. Dollar belaufen wird.
Um darauf zu reagieren, haben die Empfänger von Kapitalzuströmen die Wahl zwischen drei Optionen:
Entweder sie lassen den Wechselkurs aufwerten und mindern dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel.
Sie können aber auch auf den Devisenmärkten intervenieren und so unerwünschte Dollars anhäufen, damit bedrohen sie die inländische Währungsstabilität und mindern ihre Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel.
Oder aber sie drosseln den Kapitalzustrom durch Steuern und Kontrollen.
In der Vergangenheit haben Regierungen sich für eine Mischung aus allen drei Varianten entschieden. Das wird auch diesmal der Fall sein… Die vor uns liegenden Reformen werden sehr schwierig, und sie haben noch nicht mal richtig angefangen.
Anstatt bei der Anpassung der Wechselkurse und des Außenhandelssaldo die Zusammenarbeit mit den anderen zu suchen, zwingen die USA ihren Willen per Druckermaschine auf…
ein heilloses Währungsdurcheinander:
Weniger geschützte Volkswirtschaften wie Brasilien und Südafrika werden zur Wechselkursanpassung gezwungen, und andere, die wie China durch Devisenkontrollen geschützt sind, werden mit der Anpassung besser fertig.
Es wäre für alle Beteiligten besser, eine kooperative Lösung zu finden. Vielleicht sind ja sogar die Staats- und Regierungschefs der G20 dazu in der Lage. Ihr Gipfeltreffen in Seoul im November ist dafür die nächste Gelegenheit. Die Notwendigkeit besteht, aber ob auch der Wille da ist, darf bezweifelt werden. Auf dem Höhepunkt der Krise haben die Staatenlenker noch zusammengehalten…“
"Bretton-Woods II" nimmt konkrete Gestalt an. - Globalisierung ... 24. März 2009
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